Das Problem mit dem Bundesanzeiger

Datum: Montag, 1. August 2022

Tag(s): Problem Bundesanzeiger GmbH Gründung Existenzgründer

Jede deutsche Kapitalgesellschaft muss ihre Jahresabschlussbilanzen bei dem Bundesanzeiger hinterlegen. Zwar müssen kleine Unternehmen (Kleinstkapitalgesellschaften nach § 267a HGB) die Bilanz nur hinterlegen und nicht veröffentlichen, trotzdem muss so gut wie jedes Unternehmen die Daten an dieses private Unternehmen übertragen und bekommt dafür Rechnungen.

Privates Unternehmen?

Ja. Richtig gelesen. Der Bundesanzeiger wurde zwar ursprünglich von der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben, diese hat ihn aber in 2006 an die DuMont Mediengruppe GmbH & Co. KG verkauft.

Jetzt hat dieser private Verlag alle Möglichkeiten, mit den Zwangsgebühren für die verpflichtende Eintragung von Jahresabschlüssen und Verkauf der Daten aus dem Bundesanzeiger Geld zu machen.

Neben dem Bundesanzeiger betreibt dieses private Unternehmen auch andere verpflichtende Dienste wie das Transparenzregister.

Ironischerweise ist der damalige Käufer Matthias Schulenberg auch Vorsitzender des FDP-Bundesfachausschusses des Ressorts für Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz.

Das Problem

Meiner Ansicht nach hat der deutsche Staat mit dem Verkauf des Bundesanzeigers der DuMont Mediengruppe ein künstliches Monopol geschenkt. Deshalb finde ich es so ironisch, dass Herr Schulenberg gleichzeitig Vorsitzender eines Bundesfachausschusses für “Justiz” und “Verbraucherschutz” sein darf.

Junge Unternehmen wie dieses, welches ich gerade gründe, benötigen einen freien Zugang zu wichtigen Finanzdaten wie Jahresabschlüssen. In anderen Ländern wie im Vereinigten Königreich werden diese Daten kostenlos über eine Schnittstelle (API) vom UK Companies House zugänglich gemacht. (Die US-Börsenaufsicht SEC hat ebenfalls eine Schnittstelle dafür)

In Deutschland können wir eine kostenlose Schnittstelle zum Abrufen von Bilanzen vergessen, da die Daten von einem privaten Unternehmen kontrolliert werden.

Das Amtsgericht Köln (also das zuständige Amtsgericht für die DuMont Mediengruppe) hat übrigens in einem Urteil gegen die Mediengruppe und für einen Unternehmer gestimmt, der die Zwangsgebühren nicht an dieses Monopol zahlen wollte: Amtsgericht Köln, 142 C 639/12

Was kann man machen?

Aktuell liegt das Bundesministerium der Justiz unter der Leitung von Marco Buschmann (FDP). Ich bin grundsätzlich nicht feindlich gegen der FDP eingestellt, bin sogar FDP Mitglied, allerdings bin ich mit der Stellung von Matthias Schulenberg innerhalb der Partei unzufrieden, da ich mir nur schwer vorstellen kann, wie die Daten frei zugänglich gemacht werden können, solange Matthias Schulenberg auch Vorsitzender des FDP-Bundesfachausschusses für diese Thematik ist.

In der Zeit, als der Bundesanzeiger verkauft wurde, wurde das Ministerium übrigens von einer SPD Politikerin (Brigitte Zypries) geleitet und diese hatten damals auch die Mehrheit im Bundestag.

Das Problem ist also keines der FDP, sondern ein generelles Problem unserer Politik, die anscheinend keinen Plan davon hatte, wie schädlich eine künstliche Monopolstellung für unsere Wirtschaft sein kann.

Anfrage an Bundesministerium der Justiz und Bundeskartellamt

Ich habe Anfragen an das Bundesministerium der Justiz über die Hintergründe des Verkaufs gestellt. Allerdings war die Antwort nicht zufriedenstellend und hat das “warum” nicht wirklich befriedigend beantwortet. Jeder kann den Nachrichtenverlauf frei im Internet anschauen.

Jedoch hat mich das Bundesministerium der Justiz darauf hingewiesen, dass das Transparenzregister (ebenfalls unter Kontrolle der DuMont Gruppe) vom Bundesministerium der Finanzen in Auftrag gegeben wurde. Dieses war zur Entstehungszeit des Transparenzregisters unter Leitung der CDU.

Es scheint also komplett egal zu sein, ob die CDU, SPD oder FDP ein Ministerium leiten - am Ende bekommt die DuMont Gruppe den Zuschlag.

An das Bundeskartellamt habe ich ebenfalls eine Anfrage geschrieben, da ich es so sehe, dass die DuMont Gruppe ein Monopol auf Firmendaten in Deutschland hat und somit den Preis bestimmen kann, was mich als Unternehmer im Bereich der Aktienanalyse direkt betrifft.

Allerdings habe ich vom Bundeskartellamt die Info bekommen, dass man den Bundesanzeiger dort als Justizbehörde sieht, da die Kosten via Justizverwaltungskostengesetz - JVKostG geregelt werden. Dieses Gesetz regelt aber vor allem die Kosten bei der Einreichung von Daten ins Unternehmensregister. Ich rede aber von dem elektronischen Abruf von Daten aus dem Unternehmensregister durch den Unternehmensteil “Validatis” des Bundesanzeiger Verlag GmbH.

Meines Wissens sind die Kosten für diesen elektronischen Datenabruf in keinem Gesetz geregelt.

Bitte um Berichterstattung

Eine abgewandelte Form dieses Blog-Posts habe ich ebenfalls an verschiedene TV-Shows (wie Frontal21, ZDF Magazin Royale usw) und Zeitungen, mit der Bitte, über die Thematik zu berichten geschickt.

Im Moment wurde aber noch kein Bericht veröffentlicht. Wenn Sie zufällig in der Medienbranche tätig sind und hierüber berichten wollen, können Sie gerne diesen Blog-Post in Teilen oder komplett übernehmen.

Bundesanzeiger Crawling

Auf dem rC3 vom Chaos Computer Club gab es zu dem Thema “Daten aus dem Bundesanzeiger lesen” einen guten Vortrag:

(Ebenfalls verfügbar auf YouTube: Bundesanzeiger Crawling)

Ein vom Talk inspirierter Source Code wurde von einer Gruppe von Aktivisten auf GitHub veröffentlicht.

OffeneRegister ist ein weiteres ähnliches Projekt, das die Daten aus dem Handelsregister über eine API zugänglich macht.

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